Samstag, 12. September 2009

Meine neugierige Eigenschaft, oder der Lausbub in mir?

Folgend sind einige Anekdoten aus meiner Jugendzeit in Bischoffingen.

Ich muss schon zugeben, ich war ein sehr wissbegieriges sowie neugieriges Kind. Es ist vielleicht kein großer Unterschied zwischen den beiden Wörtern, aber ich betrachte, dass Wissbegierigkeit in die Kategorie Weiterbildung gehört, während Neugierigkeit reiner Wunderfitz ist. Diese beiden charakteristischen Eigenschaften blieben bei mir durch mein ganzes Leben, immer bereitwillig etwas neues zu lernen oder herauszufinden. Die Fragen, wie wird das gemacht? Oder weshalb wird es so gemacht? Waren immer auf meiner Zungenspitze, öfters zum Verdruss derjenigen die mit meinen Fragen belästigt wurden. Es ist vielleicht unnötig zu erwähnen, das meine Eigenschaft öfters Ärger brachte, sowie manchmal schmerzhafte Folgen herbeizogen. Eines habe ich schon früh gelernt, wie man zum Beispiel negative Antworten vermeiden kann - leider zum Verdruss meiner Eltern und Großeltern. Ich fragte nie ob ich dies oder das machen könnte, ich machte es einfach.

In 1938 kamen zwei Kompanien Soldaten in unser Dorf, um Kriegsmanöver auszuführen, alle Soldaten waren bei den Dorfbewohnern einquartiert. Wir hatten selber zwei bei uns im Haus, einer davon hatte eine Kamera die für mich sehr interessant aussah. Ich dachte zu mir, „wenn sich die Gelegenheit bieten sollte werde ich diesen Photoapparat einer genauen Untersuchung unterwerfen um zu sehen wie dieses Gerät eigentlich funktioniert. Auf diese Gelegenheit ließ es sich nicht lange warten. Die Eltern und Großeltern waren beim arbeiten in den Reben und die Soldaten waren mit „Kriegspielen“ beschäftigt irgendwo in der Umgebung.

Die Zeit war nun gekommen dem Photoapparat nähere Achtung zu geben. Von außen her zeigte dieses Gerät nicht viel, aber bald, mit der Hilfe eines Schraubenziehers, erreichte ich die Innenseite und die bezaubernden vielen Teile die dort versteckt lagen. Ich war plötzlich in meiner eigenen Welt, ja so etwas interessantes habe ich noch nie gesehen. Das einigenartige Papier das ich in dem Photoapparat fand, so habe ich später erfahren, war der Film, auf dem die Bilder entstanden. Mit dem Film nun aus dem Weg, setze ich meine „Forschung“ weiter und mit dem Schraubenzieher separierte ich die verschiedenen Einzelteile. Ich dachte die beste Zeit meines Lebens zu haben. Dass meine „Innenforschung“ schließlich schlimme Konsequenzen haben könnten hätte ich mir nicht träumen lassen. Ich war zu vertieft mit meiner faszinierenden Auseinadernehmung der Kamera und mit der Bewunderung von den einzelnen und zahlreichen Teilen, welche die Kamera von sich geben ließ.

In kurzer Zeit lagen vor mir auf dem Tisch, zwei Häufen von Metal. Eine war die leere äußere Hülle vom der Kamera, und der andere Haufen enthielt die inneren „Körperteile“ die es ermöglichten Bilder von allem möglichen zu machen. Mit meiner Kuriosität nun völlig befriedigt, und allerhand neues dabei gelernt, setzte ich mich daran die zwei Häufen wieder in einen zu machen, und den voll funktionierenden Fotoapparat wieder an den Platz zu legen, wo ich ihn gefunden hatte. Aber oh weh, oh weh, es brauchte nicht lange, bis ich zur Erkenntnis kam, dass diese Aufgabe unmöglich zum ausführen war. Meine Gedanken beschäftigten sich mehr und mehr für die Konsequenzen die folgen werden nach meiner kurzen Karriere als ein „Kameraauseinandernehmer“. Ich entfernte den Kameraschrotthaufen vom Tisch und legte ihn in den selben Platz wo ich die Kamera fand.


Damals war es noch nicht Mode, dass Kinder von Eltern wegrannten, oder vielleicht nach Australien auswanderten – sonst hätte ich bestimmt diese Möglichkeit in Betracht gezogen. Das einzige was mir nun übrig blieb, war ins Bett zu gehen und Unwohlsein vorzutäuschen, ich dachte mir, kranke Kinder schlägt man nicht. Mit dieser Annahme ging ich ins Bett und erwartete den „Orkan“ der unvermeidlich entstehen wird, sobald der Schrotthaufen, der einmal eine gute Kamera war, entdeckt wurde.


Als die Eltern und die Soldaten spät am Nachmittag heimkamen, brauchte es gar nicht lange, bis die in Einzelteile zerlegte und noch vor Stunden eine brauchbare Kamera war, gefunden wurden. Meine Vortäuschung nicht besonders wohl zu sein kam bald darauf zu Ende. Das Unwohlsein war nun eine Wirklichkeit geworden, mit den stärksten Schmerzen auf der ganzen Fläche meines Hinterteils, welches die Wucht des väterlichen Schlagangriffs auffing. Eine regenbogenfarbige Farbentracht verzierte nun mein Gesäß und für eine lange Zeit, war es schmerzhaft auf harte Stühle zu sitzen. Im Rückblick zu meiner Körperstrafe, die Kinder von heutzutage könnten Ihren Vater wegen Schwerverletzung auf das Gericht nehmen – so ist es jedenfalls in Australien.

Meine Tracht Prügel für Gegenstände mit beweglichen Teilen auseinander zu nehmen wurde ziemlich abgestumpft – für eine lange Zeit. Aber Zeit ist ein gutes Heilmittel und meinen Begehren wieder „neues zu lernen“ fing so langsam wieder an mich zu überwältigen.


Es war nun eine gewisse Zeit vergangen seid der ausmontierten Kamera Affäre. Beim Herumstöbern im Büffet fand ich die teuere Armbanduhr von meiner Mutter, welche sie nur für besondere Gelegenheiten trug. Was nun den Zeiger zum Rundlaufen brachte, wäre ja für mich schon wissenswert, dachte ich. Die Prügel von der Kameraepisode, hatte ich noch nicht vergessen und ich versuchte mir vorerst die Sache aus dem Kopf zu schlagen. Aber der Gedanke um herauszufinden was die Uhr zum ticken macht wurde immer stärker. Je mehr ich daran dachte, je mehr wurde mein Bedürfnis die Armbanduhr von meiner Mutter von innen her zu sehen, unwiderstehlich.


Ich benutzte die Gelegenheit, als alle in den Reben beim arbeiten waren und ich ging daran, das für mich rätselhafte innere der Uhr zu „studieren“. Nach kurzer Zeit war sie von hinten geöffnet und freudestrahlend kamen kleine Zahnräder in meine Sicht. Nach einigen geschickten Eingriffen in das Uhreninnere mit dem Schraubenzieher, hatte ich bald kleine Zahnrädchen in meiner Hand. Einige davon waren nicht mehr in einem besondern guten Zustand. Es wäre unnötig sein zu erwähnen, dass von diesem Moment an, die Uhr sich verweigerte weiterhin die Zeit zu zeigen. Meine Kuriosität war nun befriedigt, ich hatte wieder allerhand gelernt, besonderes was die Uhr zum laufen machte – und wie man die Uhrzeiger zum stillstehen bringen konnte. Es brauchte nicht lange bis die Sache für mich klar wurde, dass es unmöglich sein würde die Uhr wieder in den Zustand zurück zu bringen in dem sie vor etwa einer Stunde war.

Meine Gedanken gingen nun zurück an meine fehlgeschlagenen Karriere als „Kameraauseinandernehmer,“ und die darauf folgenden unangenehmen Konsequenzen. I faste den Beschluss, den Haufen Einzelteile von der Armbanduhr tief in den Garten zu ‚bestatten’. Als nach einigen Monaten meine Mutter die Uhr anziehen wollte für eine besondere Veranlassung, konnte sie die Uhr nicht finden. Die Mutter verdächtigte, dass eine Hausgehilfin, welche wir immer im Sommer anstellten, die Uhr gestohlen hätte.
Als ich nach 22 Jahren in 1976 das erste Mal in meine alte Heimat für fünf Monate zurückehrte, war allerhand zu erzählen. Im Laufe eines Gespräches mit meiner Mutter, kamen wir auf das Thema der gestohlenen Armbanduhr, und meine Mutter hatte immer noch die Sommerhilfe in Verdacht. Im Gegensatz zu damals, befürchtigte ich nun nicht eine Tracht Prügel zu bekommen, and gestand meiner Mutter was eigentlich mit ihrer Armbanduhr passiert war, und wo ich sie vergraben hatte. Nach 22 Jahren wurde nun endlich die Sommergehilfin als unschuldig erklärt.

Nachschrift: Obwohl ich längst die Lausbub Phase verlassen habe, meine Wissbegierde etwas Neues zu lernen wird mit mir bleiben bis zu meinem letzten Atemzug. Mein Motto ist wie immer: "Wenn ich nicht jeden Tag etwas neues lerne dann habe ich einen Tag nutzlos verschwendet".

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